Bejagungsstrategien und Wiederbewaldung nach Kalamitäten
Zahlreiche Interessierte und Funktionär:innen nahmen am 15. September auf Einladung des Landes Kärnten, der Österreichischen Bundesforste AG, der Wildbach- und Lawinenverbauung, der Pro Silva Austria und der Kärntner Verwaltungsakademie in Egg bei Hermagor an der Veranstaltung "Bejagungsstrategien nach Windwurf- und Borkenkäferkalamitäten“ teil. Moderator Dr. Eckart Senitza begrüßte zahlreiche Ehrengäste, darunter Landesforstdirektor Dipl.-Ing. Christian Matitz, Landesjägermeister Dr. Walter Brunner, Sektionsleiter der Wildbach- und Lawinenverbauung Dipl.-Ing. Stefan Piechl sowie der Vorstand der Österreichischen Bundesforste AG Dipl.-Ing. Andreas Gruber, die in das Thema der Veranstaltung einführten.
Es wurde mehrfach betont, dass die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Wald, wie Schadereignisse und der Klimawandel, ein beispielloses Ausmaß erreicht haben. Allein in Kärnten waren in den letzten Jahren 30.000 ha Wald von Schadereignissen (Windwurf, Schneebruch, Borkenkäfer usw.) betroffen. Besonders besorgniserregend ist, dass es sich bei vielen dieser Flächen um Schutzwald und insbesondere um Objektschutzwald handelt, der die Infrastruktur und menschliche Siedlungen schützt. Ein Verlust dieses Waldes bedeutet gleichzeitig ein erhöhtes Risiko für z.B. Lawinen und Steinschlag. Oftmals können solche Hanglagen nur durch den Einsatz von technischen Verbauungen und vor allem eine rasche Wiederbewaldung gesichert werden. Im Hinblick auf den Klimawandel wird es daher immer wichtiger, einen vielfältigen Waldbestand aufzubauen, um das Risiko zu streuen und die Stabilität des Waldes zu erhöhen. Dies erfordert jedoch gemeinsame Anstrengungen von Forstwirtschaft und Jagd.
Dipl.-Ing. Wilfried Strasser, Bezirksforstinspektor von Hermagor und Dipl.-Ing. Horst Leitner zeigten in anschaulichen Power-Point-Präsentationen die Problemstellungen und Lösungsansätze auf.
Dipl.-Ing. Wilfried Strasser, Bezirksforstinspektor von Hermagor und Dipl.-Ing. Horst Leitner zeigten in anschaulichen Power-Point-Präsentationen die Problemstellungen und Lösungsansätze auf.
1. Wiederbewaldung auf Kahlflächen
Auf den Kahlflächen, insbesondere in den Schutzwäldern, ist eine zügige Wiederbewaldung dringend erforderlich. Dabei sollte die vorhandene Naturverjüngung, die oft unterschätzt wird und grundsätzlich aus mehreren Baumarten besteht, ausgeschöpft werden. Aufforstungen sind in der Regel auf größeren Kahlflächen notwendig, wo sich keine Naturverjüngung einstellt. Bei der Aufforstung ergeben sich Herausforderungen bei der Auswahl des geeigneten Pflanz- und Saatguts, einem Mangel an Arbeitskräften und einer teilweise sinkenden Motivation der Waldeigentümer, die sicherlich durch niedrige Holzpreise und massive Schäden befeuert wird. Das Wild verlagert zunehmend seine Äsungsplätze in die Kahlflächen. Daher sollte auf flächiges Ausmähen der Forstpflanzen verzichtet werden, um wertvolle Äsung zu erhalten und die Forstpflanzen für das Wild weniger attraktiv zu machen. Ein Auskesseln oder Freitreten der Forstpflanzen sollte genügen.
2. Verantwortung von Forst und Jagd
Forst und Jagd müssen gemeinsam handeln und Verantwortung übernehmen. Bereits die Aufforstungsplanung sollte gemeinsam erfolgen, und es sollte klar sein, dass die Schalenwildbestände angepasst werden müssen. Die Bejagbarkeit auf den Schadflächen muss längerfristig aufrechterhalten werden. Schussschneisen und Wildwiesen dienen der leichteren Bejagung. Zusätzlich können ausgewählte Rückewege durch Mulchen/Schlägeln zur Bejagung freigehalten werden, insbesondere wenn die Kahlflächen bereits erfolgreich wiederbewaldet sind. Außerdem sollten Prioritäten bzw. Schwerpunkte gesetzt werden, auf welchen Flächen unbedingt die Wiederbewaldung stattfinden muss, um die Bejagung darauf abzustimmen. Die Wiederbewaldung von Objektschutzwaldflächen hat dabei vordringlich zu erfolgen.
3. Bestände anpassen
Um die Wildbestände anzupassen, braucht es ein liberales Jagdgesetz, das z.B. Zusatzabschüsse ermöglicht. Motivierte Jägerinnen und Jäger, die über gute Kenntnisse über das Raum-Zeit-Verhalten des Wildes (Know-how) verfügen, körperlich fit sind und Verantwortung übernehmen, um bei passender Gelegenheit auch Abschüsse zu tätigen, sind entscheidend. Wiederbewaldungsflächen (insbesondere Objektschutzwaldflächen) sind schwerpunktmäßig zu bejagen. Dort sind eine sehr hohe jagdliche Präsenz (Vergrämungseffekte erwünscht) und damit verbunden auch hohe Abschusszahlen notwendig. Für ein Schwerpunktjagdgebiet sollte jeweils ein Jäger verantwortlich sein. Wenn nötig und gesetzlich zulässig, können Schonzeitabschüsse in Erwägung gezogen werden. Außerdem ist eine Intervallregulierung sinnvoll. Das bedeutet, dass Gebiete ausgewiesen werden, wo kurzen Perioden der Jagd lange Ruheperioden folgen, um das Wild durch die Ruheperioden wieder vertrauter zu machen. Die Intervallregulierung ist von allen Jägern einzuhalten. Gut organisierte Bewegungsjagden und Gemeinschaftsansitze können ebenfalls erfolgreich sein. Da es kein allgemeines Erfolgsrezept gibt, ist die Anpassung der Jagdstrategien von großer Bedeutung.
Exkursionspunkt St. Lorenzener Kuhalpe
Nach den sehr interessanten Vorträgen ging es zur St. Lorenzener Kuhalpe, die sich auf der Sonnenseite des Gitschtales nördlich von Hermagor befindet. Am 10. August 2017 verursachte ein Sturm allein auf der St. Lorenzener Kuhalpe rund 110 ha Kahlflächen. Der Kulturbeauftragte der Agrargemeinschaft erklärte die Herausforderungen und Hürden, die bei der Aufforstung auftraten. Früher wurden Aufforstungen in Eigenregie durchgeführt, heute ist das bei solchen Kalamitätsausmaßen undenkbar. Aber auch die Auswahl der passenden Dienstleister gestaltete sich als schwierig.
Wo keine Naturverjüngung vorhanden war (der Großteil), erfolgte die Aufforstung mit insgesamt 180.000 Forstpflanzen. Dabei wurde ein Mischwald aus verschiedenen und an die jeweiligen Standorte angepassten Baumarten geschaffen. Die Pflanzen wurden mittels Trico gegen Wildverbiss gespritzt, flächiges Freischneiden fand nicht statt, um dem Wild keine wertvolle Äsung zu nehmen. Außerdem wurden Kontrollzäune angelegt. Die Aufforstungsplanung erfolgte in enger Zusammenarbeit mit den Jagdausübungsberechtigten, sodass gezielt Schussschneisen und Wildwiesen angelegt werden konnten. Die Jagd auf diesem Gebiet wird von den Jägerinnen und Jägern des Jagdvereins St. Lorenzen ausgeübt. Das Jagdgebiet erstreckt sich vom Talboden (660 Meter) bis auf etwa 1800 Meter und umfasst eine Gesamtfläche von etwa 2300 ha. Der Obmann und Jagdleiter des Jagdvereins berichtete, dass vor der Windwurfkalamität von 2017 auf den Flächen der St. Lorenzener Kuhalpe jagdlich wenig los war. Mit den großen Windwürfen und den dadurch entstandenen Freiflächen wurde das Problem erkannt, und es erfolgten eine verstärkte Bejagung und eine deutliche Abschusssteigerung. Durch das Gesamtpaket aus sinnvoller Reviereinrichtung, gemeinschaftlich geplanter und angelegter Wildwiesen sowie Schussschneisen wird die Bejagbarkeit der Flächen aufrechterhalten. Es werden gemeinsame Ansitze und Bewegungsjagden organisiert.
Exkursionspunkt Eggforst
Am Nachmittag führte die Exkursion in den Eggforst, ein Revier der Österreichischen Bundesforste AG, das sich südlich des Pressegersees befindet. Der Eggforst erstreckt sich über rund 310 ha und wird durch die örtliche Nähe zur Bezirkshauptstadt Hermagor geprägt, was eine hohe touristische Frequentierung zur Folge hat. Aufgrund der niedrigen Seehöhe treten in den letzten Jahren verstärkt Kalamitäten (vor allem durch den Borkenkäfer) auf. Daher wurde frühzeitig erkannt, dass eine Umstellung auf strukturierte Mischwälder erforderlich ist. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn wertvolle Mischbaumarten wie Eiche, Ahorn und Tanne dem Äser des Wildes entwachsen können. Die jagdliche Infrastruktur wurde ausgebaut, reguläre forstliche Holznutzungen finden nur noch einzelstammweise statt. Gleichzeitig wurden ökologische Nischen geschaffen, beispielsweise durch die Anlage von Wildwiesen, und der Lebensraum wurde durch das Belassen von Pioniergehölzen und die Pflanzung wertvoller Sträucher verbessert. Die Jagd wird über Pirschvertragsnehmer und in Eigenregie ausgeübt. Die touristische Nutzung wurde gezielt auf die Forststraßen gelenkt. Durch alternative Jagdmethoden wie Stöberjagden und Gemeinschaftsansitze sowie motivierte und kompetente Jäger konnten die Abschusszahlen erheblich gesteigert werden. Von 2016 bis 2022 wurden durchschnittlich rund 13 Stück Schalenwild pro 100 ha und Jahr erlegt. Die positiven Auswirkungen sind bereits spürbar, und wertvolle Baumarten wie Eiche und Tanne können ohne Schutz aufwachsen. Beachtenswert ist, dass seit 2020 keine Maßnahmen zum Schutz vor Verbiss mehr erforderlich sind. Weitere positive Effekte zeigen sich in den gestiegenen Wildbretgewichten.
Resümee
Die Ernsthaftigkeit der Lage muss erkannt werden, und nur durch gemeinschaftliches und verantwortungsvolles Handeln von Forstwirtschaft und Jagd kann in den Schadgebieten die Wiederbewaldung funktionieren. Aber auch außerhalb der Schadgebiete ist es geboten, durch gezielte forstliche und jagdliche Maßnahmen, wie die Förderung einer baumartenreichen Naturverjüngung bei gleichzeitiger Verringerung der Wilddichte, den Wald der Zukunft aufzubauen.