Jüngste Landwirtschaft in der EU
Der Strukturwandel in der Landwirtschaft war in den letzten Jahrzehnten ein sehr großer. Es gab über 400.000 Betriebe im Land, davon blieb ein Drittel übrig.
Minister Norbert Totschnig: Mit dem Beitritt zur Europäischen Union konnte der Strukturwandel stark eingebremst werden. Wir haben in Österreich die jüngste Landwirtschaft in der EU, fast ein Viertel der Betriebsführer ist unter 40 Jahre alt, wir haben die wenigsten Betriebsführer in der Union über 65 Jahre. Die Gründe liegen im hervorragenden Land- und Forstwirtschafts- sowie Ausbildungssystem in Österreich. Wir haben eine starke gesetzliche Interessenvertretung und Jugendorganisation. Wir haben sehr gute Rahmenbedingungen für Bauern, steuerlicher Art, in der Sozialversicherung bis hin zur Agrarpolitik.
Wenn eine neue Generation übernimmt, kann sie nicht alles so machen, wie es schon immer war. Ist gerade diese Veränderung eine zu große Herausforderung?
Wir haben einen Klimawandel, der spür- und messbar ist, und auf den Märkten große Herausforderungen und aktuell eine ganz schwierige Situation bei den Getreidepreisen. Die Ansprüche der Gesellschaft an die Bauern steigen, Stichwort: Pflanzenschutz, Tierwohl. Der Green Deal bedeutet mehr Bürokratie, mehr Verwaltungsaufwand. Umso wichtiger ist es, Bauern eine Perspektive anzubieten.
Bei der Lebensmittelerzeugung geht es auch um Qualität und Vertrauen. Immer wieder erschüttern Ereignisse das Vertrauen. Sind das einige schwarze Schafe, oder liegt das schon auch in der Branche drinnen?
Leider werden immer wieder Fälle entdeckt, wo es nicht passt. Aber 99 % der Betriebe kümmern sich tagtäglich rund um die Uhr um ihre Tiere. Daher ist es wichtig, Kontrollen zu verstärken, unangekündigte Spot-Audits durchzuführen und die Wahrscheinlichkeit, dass solche Fälle auftreten, zu verringern.
Eigentlich braucht man in Zukunft keine Tiere mehr, um die Bevölkerung mit Fleisch zu versorgen – Stichwort Laborfleisch.
Da bin ich ganz anderer Meinung. Vieles ist noch nicht geklärt, nämlich, welche Methoden, welche Inhaltsstoffe da verwendet werden, was das für den Standort, für die Kulturlandschaft, für die Bäuerinnen und Bauern bedeutet.
Im Supermarkt sieht man viele Produkte, die auf pflanzlicher Basis hergestellt, statt z. B. aus Milch erzeugt werden. Der Trend geht hin zur vegetarischen oder vielleicht sogar veganen Ernährung.
Unser Zugang ist der, dass wir die Lebensmittel produzieren, die gebraucht werden. Jeder soll sich auch so gesund wie möglich ernähren können. Versorgungssicherheit bleibt ein wichtiges Thema. Aufgrund der Inflation, die zum Glück wieder abnimmt, ist die Preissensibilität gestiegen. Vielen Konsumentinnen und Konsumenten sind Tierwohl, Qualität, Umweltschutz wichtig. In Österreich werden nach Dänemark am zweitmeisten biologische Lebensmittel im Supermarkt verkauft. Qualitätsproduktion wird auch in Zukunft unser Markenzeichen als österreichische Bauern und Bäuerinnen sein.
Trotzdem schauen die Menschen aufs Geld. Warum sind Lebensmittel in Österreich teurer als jenseits der Grenzen?
Wir setzen seit Jahren auf Qualitätsproduktion. In anderen Ländern setzt man auf möglichst viel und billig. Um mehr Fairness in der Wertschöpfungskette zu erreichen, ist auch etwas passiert, nämlich der Beschluss des Fairer-Wettbewerbs-Gesetzes und die Einrichtung der Fairness-Stelle.
Gerade im Lebensmittelhandel haben wir in Österreich eine sehr große Marktkonzentration. Produkte kosten ein bisschen mehr als Deutschland. Beim Bauern kommt aber nicht mehr an.
Deswegen haben wir diese Fairness-Stelle, weil die drei größten Lebensmitteleinzelhändler 84 % des Marktes abdecken, die vier großen 91 % des Marktes. Im letzten Bericht des Fairness-Büros haben wir gesehen: Ja, es gibt einen unfairen Wettbewerb in der Wertschöpfungskette. Wir müssen da an den Schrauben nachdrehen. Es gibt auch viele positive Beispiele von großen Lebensmitteleinzelhändlern, wo ordentlich miteinander umgegangen wird. Da passen die Preise. Da gibt’s Vertrauen. Ziel muss sein, uns zu solchen Werten hinzubewegen.