„Brauchen einen Kurswechsel in der EU“
In Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und zuletzt auch in Brüssel gingen tausende Bäuerinnen und Bauern auf die Straße. Wie stehen Sie zu den Protesten?
Huber: Das Problem ist, dass die Bürokratie immer mehr wird und die EU die Bauern mit immer neuen Auflagen nervt. Eine Inflationsanpassung für die EU-Direktzahlungen ist in weiter Ferne.
Die Produktion in Europa wird runter geschraubt, gleichzeitig schließt die EU immer neue Freihandelsabkommen. Das passt vorn und hinten nicht mehr zusammen. Wir brauchen einen Kurswechsel auf EU-Ebene hin zu einer starken europäischen Landwirtschaft, die sich selbst mit Lebensmitteln versorgt.
Schließen sie Proteste in Österreich aus?
Ausschließen will ich nichts. Gleichzeitig ist bei uns die Situation anders. Während es in Deutschland die Ampelkoalition nicht mal geschafft hat, die GAP-Gelder auszuzahlen, wurden in Österreich die GAP-Mittel um 8 % ab 2024 erhöht. Aber wenn zum Beispiel für das Thema Vollspaltenböden keine Lösung gefunden wird, kann ich mir vorstellen, dass auch in Österreich die Traktoren anrollen könnten.
Apropos Vollspaltenböden – welche Vorgehensweise halten Sie für machbar, um Forderungen der Gesellschaft und Anliegen der Bäuerinnen und Bauern unter einen Hut zu bringen?
Die Gesellschaft will zwar immer mehr Tierwohl, ist aber nicht bereit, mehr dafür zu bezahlen. Das geht sich für uns Bauern nicht aus. Wenn die Produktion von Schweinen auf Spaltenböden verboten wird, dann muss auch der Verkauf von Fleisch aus dieser Haltungsform verboten werden. Alles andere ist eine Augenauswischerei. Der Gesundheitsminister hat das in der Hand, aber er will es sich weder mit den Konsumenten noch mit den Tierschützern verscherzen.
Stichwort Green Deal: Schießt der jüngste Vorstoß der EU-Kommission zur Reduktion der Treibhausgase um 90 % bis 2040 über das Ziel hinaus? Was kann die Landwirtschaft realistisch zum Klimaschutz beitragen, ist sie doch die erste Betroffene
Die Landwirtschaft darf sich den schwarzen Peter beim Klimaschutz nicht zuschieben lassen. Während wir die CO2-Emissionen seit 1990 um 17 % reduziert haben, ist der Verkehr explodiert. Unseren Beitrag in der Zukunft sehe ich vor allem in der Produktion von erneuerbarer Energie aus Biomasse oder Photovoltaik. Diese Leistungen sollten den Bauern in der Treibhausgasbilanz angerechnet werden. Solange die Menschen etwas zu essen haben wollen, wird die Landwirtschaft auch etwas emittieren. Das war auch in der Vergangenheit so – und da hat es auch keinen Klimawandel gegeben.
Der französische Präsident Macron hat sich zuletzt mehrfach gegen Mercosur ausgesprochen: Ist damit das Freihandelsabkommen mit Südamerika vom Tisch?
Ich bin ehrlich froh über das Nein der Franzosen, denn das ist auch die österreichische Linie. Ich hoffe, dass der Handelspakt damit vom Tisch ist – und die neue Kommission dieses unfaire Abkommen auf dem Rücken der Bauern endgültig in der Schublade verschwinden lässt.
Braucht es staatliche Eingriffe, um die Versorgungssicherheit und -unabhängigkeit mit Lebensmitteln zu gewährleisten?
Der freie Markt führt dazu, dass die Produktion immer dorthin verlagert wird, wo es am billigsten ist. Ohne staatliche Eingriffe wird das auch bei den Lebensmitteln so kommen. Europa muss kapieren, dass die Landwirtschaft die Basis für einen starken Kontinent ist. Wer bei den Lebensmitteln erpressbar ist, hat schon verloren. Deshalb braucht es staatliche Eingriffe, wie einen funktionierenden Außenschutz, damit nur Produkte nach Europa kommen, die nach den gleichen Standards produziert werden wie die europäischen Produkte. Und eine faire Abgeltung der Leistungen der Bauern. Nur dann wird es Versorgungssicherheit geben.