Bei Lebensmitteln autark handeln
Wie unterstützt Berglandmilch bäuerliche Betriebe, und welche Maßnahmen tragen in Zeiten der Krisen zur Versorgungssicherheit bei?
Mag. Georg Lehner: Berglandmilch mit seiner Hauptmarke Schärdinger ist eines der größten Unternehmen im Lebensmittelbereich in Österreich und steht als Genossenschaft nach wie vor im ausschließlichen Eigentum von knapp 9000 heimischen Milchbäuerinnen und Milchbauern. Als Genossenschaft entscheiden in unserem Unternehmen aktive Milchbäuerinnen und Milchbauern. Es werden Leistungen auf den Höfen erbracht, die es dann dem gemeinsamen Unternehmen ermöglichen, Mehrwerte am Markt zu erzielen. Beispiele wären etwa ein Tierwohlbonus oder der Verzicht auf Futtermittel aus Übersee. Dadurch können attraktive Absatzkanäle erschlossen und Mehrwerte erzielt werden, die dann in Form von Milchgeldzuschlägen zurück auf die Höfe fließen. Die gemeinsame Beteiligung am genossenschaftlichen Unternehmen Berglandmilch ermöglicht und sichert so die Existenz von bäuerlichen Familienbetrieben in Österreich. Neben der Arbeit der Berglandmilch-Bäuerinnen und -Bauern trägt eine regionale Energieversorgung maßgeblich zur Versorgungssicherheit bei. Daher setzt man bei Berglandmilch auf alternative Energieversorgung mittels Biomasse, Biogas und Photovoltaikanlagen. Ein Großteil der Wärme- und Dampfversorgung erfolgt mittlerweile mit werkseigenen Biomasseheizwerken. Bis 2025 wird man bei Berglandmilch zu 100 % auf fossile Energieträger verzichten können. Die Coronapandemie und der russische Angriffskrieg in der Ukraine zeigten die Verletzlichkeit von Lieferkettensystemen gegenüber globalen Krisen auf. Dennoch sind internationaler Handel und Globalisierung für unseren Wohlstand wichtig. Wir müssen aber in sensiblen und kritischen Bereichen auf eine Selbstversorgung achten. Lebensmittel sind unseres Erachtens der wichtigste und sensibelste Wirtschaftsbereich. Hier müssen wir selbstbestimmt und autark handeln können.
Wie hat sich die Milchwirtschaft in den letzten Jahren verändert? Ist die heimische Bevölkerung ausreichend mit regionalen Lebensmitteln versorgt, und ist dies auch zukünftig gesichert?
Die Milchwirtschaft hat sich stetig weiterentwickelt. International gesehen zeichnet Österreich aber nach wie vor eine kleinstrukturierte, vielfältige und hochqualitative Milchwirtschaft aus. Die Milchwirtschaft findet vorwiegend in grünlandbasierten Familienbetrieben, die häufig im Berggebiet wirtschaften, aus.
Die Versorgungssicherheit der österreichischen Bevölkerung hat für uns oberste Priorität. Kurzfristig ist die Versorgung mit regionalen Lebensmitteln gesichert. Langfristig dürfen wir die Hände nicht in den Schoß legen. Wir müssen weiter täglich daran arbeiten, dass dies auch so bleibt. Selbstversorgung ist keine Selbstverständlichkeit mehr, wenn wir auf die Zahlen blicken, wie viele Milchbäuerinnen und Milchbauern täglich die Stalltür für immer schließen. Unser Ziel ist, mit Handel und Politik zusammenzuarbeiten, um die Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten und die Wertschätzung für heimische Produkte zu fördern. Die Bedeutung heimischer Wertschöpfung und die damit verbundene Versorgungssicherheit dürfen auch nach den Krisen nicht wieder in Vergessenheit geraten.
Wie wirkt sich die Klimakrise auf die Versorgung aus, und was unternimmt Ihr Unternehmen, um gegenzusteuern?
Die Klimakrise macht sich auf vielen Ebenen bemerkbar. Es geht nicht mehr darum, Energie so günstig wie möglich zu erwerben, sondern vor allem auch um Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit. Auch im Bereich der Milchanlieferungsmengen ist sie spürbar. Lange Trockenperioden spiegeln sich in der Futtergrundlage wider. Auch die Wasserversorgung unserer Molkereien muss vor dem Hintergrund der Klimakrise immer wieder überprüft und neu bewertet werden. Wir merken den Klimawandel auch durch ein gesteigertes Nachfrageverhalten wichtiger Exportländer, wie etwa Italien.
Kurzfristig führen Krisen zu einem stark veränderten Konsumentenverhalten, vor allem in Bezug auf die Preissensiblität und die Produktauswahl. Vor dem Hintergrund des Pariser Klimaabkommens bleiben langfristig vor allem regulatorische Eingriffe zur Eindämmung des Klimawandels, die uns als Unternehmen zunehmend beschäftigen werden (z. B. Berichtspflichten zu Treibhausgasemissionen oder das Thema CO2-Bepreisung etc.).
Wir verfolgen den eingeschlagenen Weg einer nachhaltigen Milchverarbeitung konsequent weiter. Mit unserer Initiative „Raus aus Öl und Erdgas“ fördern wir den Nachhaltigkeitsanspruch, erzielen darüber hinaus auch eine Stabilisierung auf der Kostenseite und stellen die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln aus und für Österreich sicher. Wir planen im Verpackungsbereich, das Mehrwegsystem in Zukunft noch weiter auszubauen. Auf der Beschaffungsseite versuchen wir nicht zuletzt mithilfe der Integration strategischer Geschäftsfelder (eigene Fruchtzubereitungen, eigene Molkeverarbeitung etc.), Abhängigkeiten zu reduzieren. An dieser Stelle sind auch spezielle Beschaffungsrichtlinien und Lieferantenbewertungen mit einer neuen Gewichtung von Kriterien anzuführen.
Zur Person
Am elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb in Alkoven in Oberösterreich aufgewachsen, absolvierte Mag. Georg Lehne ein Studium der Wirtschaftswissenschaften und war bei der KPMG Alpentreuhand Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung tätig. Seit 2007 bekleidet er verschiedene Funktionen bei Berglandmilch. Er ist Prokurist, verantwortet die Geschäftsbereiche Rohmilchdisposition, Produktionsplanung, Disposition, Human Resources, Einkauf strategischer Zutaten, internationales Key Account Management, Presse und & Öffentlichkeitsarbeit sowie Nachhaltigkeit. Mag. Lehner ist verheiratet und Vater dreier Kinder.