Fisch als Nahrungsmittel ist in Österreich immer beliebter, gleichzeitig wird seitens der Konsumentinnen und Konsumenten viel Wert auf Regionalität und Nachhaltigkeit gelegt. Parallel dazu belasten die steigenden Preise für Fischfutter die Produktion. Preistreiber ist vor allem die Knappheit von Fischmehl und Fischöl am internationalen Markt. Beide Bestandteile sind jedoch wesentlich für die Physiologie von Raubfischarten. Die weitere Reduzierung des Anteils von Fischmehl und Fischöl im Fischfutter, die Erschließung alternativer Protein- und Fettquellen wie Insektenmehl, Mikroalgen, Einzeller- oder pflanzlichen Proteinen sowie die Nutzung regionaler Ressourcen sind wesentliche Schritte hin zu einem noch nachhaltigeren Fischfutter. Dabei gilt es sowohl das Tierwohl unter dem Aspekt der Fischverträglichkeit als auch die möglichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, sprich den Mehrwert beim Verzehr von Fisch aus Aquakultur mit zu denken. Um Fischfutter aus regionalen Rohstoffen in ausreichender Menge herzustellen und zu vertreiben, müssen viele Aspekte entlang der Wertschöpfungskette berücksichtigt werden – von den Inhaltssoffen über die technische Machbarkeit bis hin zu den Absatzmöglichkeiten.
Regionale Fischfutterproduktion als möglicher Lösungsansatz
Mit dem neuen Projekt "AquaFeed – Machbarkeitsuntersuchung einer regionalen Fischfutterproduktion in Österreich" wird dieser Herausforderung in einem ersten Schritt begegnet. Neben Österreich werden auch die umliegenden Regionen (Alpe-Adria-Raum, südliches Tschechien, Bayern) in die Überlegungen einbezogen. Im Verlauf der Projektlaufzeit vom 11. September 2024 bis 30. März 2027 sollen dabei zentrale Fragestellungen geklärt werden:
Status quo: Welche Themen werden bereits in der Forschung behandelt und welche Ansätze erscheinen am vielversprechendsten?
Machbarkeit: Unter welchen Bedingungen ist eine hochwertige Fischfutterproduktion aus regionalen Rohstoffen technisch und logistisch realisierbar? Wie könnte man vorhandene Fischschlachtabfälle besser verwerten?
Vermarktbarkeit: Wo und zu welchen Preisen besteht ausreichende Nachfrage für regional produziertes Fischfutter, insbesondere für Raubfischarten?
Ein zentraler Bestandteil von AquaFeed ist die Vernetzung aller relevanten Stakeholder zwischen Praxis, Forschung, Beratung und Verwaltung. Dieser interdisziplinäre Ansatz stellt sicher, dass alle relevanten Aspekte – von der technischen Machbarkeit und Fischverträglichkeit (Fischgesundheit) bis hin zu wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen – berücksichtigt werden.
Analyse und Empfehlungen als weitere Entscheidungsgrundlage
Im Rahmen des Projekts wird nicht nur eine umfassende Analyse vergangener und laufender Initiativen in Österreich und den angrenzenden Regionen durchgeführt, sondern auch das Potenzial innovativer Ansätze untersucht. Basierend auf den Ergebnissen dieser Erhebung erfolgt eine präzise Bewertung der aktuellen Rahmenbedingungen sowie der vielversprechendsten Perspektiven. Daraus werden konkrete Empfehlungen abgeleitet, die als Grundlage für die nächsten Schritte in Richtung einer regionalen Fischfutterproduktion dienen. Angesichts der begrenzten Projektmittel kann in diesem ersten Schritt keine Entwicklung eines marktfähigen Futtermittels umgesetzt werden. Dennoch liefert AquaFeed wesentliche Erkenntnisse, die entscheidend dazu beitragen werden, die Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Resilienz von regionalen Aquakulturbetrieben zu fördern und die Kreislaufwirtschaft in diesem Sektor voranzutreiben.
Initiative des Österreichischen Verbandes für Fischereiwirtschaft und Aquakultur (ÖVFA)
Das Projekt wurde auf Initiative des Aquakultur-Dachverbandes (ÖVFA, Österreichischer Verband für Fischereiwirtschaft und Aquakultur) ins Leben gerufen und durch DaFNE-Fördermittel (Datenbank für nachhaltige Entwicklung) des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (BML) ermöglicht. Unter der Leitung der JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH (JR) in Graz, arbeiten starke Partner gemeinsam an diesem Vorhaben. Neben der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) und dem Bundesamt für Wasserwirtschaft (BAW) in Scharfling am Mondsee wirken auch zwei Praxisbetriebe am Projekt mit. Als strategische Partner konnten neben dem ÖVFA bedeutende Institutionen wie die Landwirtschaftskammer Niederösterreich (LK NÖ), die Garant-Tiernahrung, die PUREA Austria (Unternehmen der VIVATIS Holding AG) und die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LFL) gewonnen werden.
Alleinfuttermittel erzielen einen optimalen Zuwachs und sind präzise an die Bedürfnisse der Fische angepasst.
Die Verwertung von Fischkarkassen am Betriebsstandort wurde im Rahmen eines bereits abgeschlossenen DaFNE-Projekts der Universität für Bodenkultur (BOKU) bei Gerald Hochwimmer (Fischfarm Sigleß) getestet und analysiert. Die Versuche lieferten vielversprechende Ergebnisse, die auch in die Überlegungen des AquaFeed-Projekts einfließen.
Motivation und Ausblick
„Viele haben darüber gesprochen, wir gehen es jetzt konkret an“, sagt Dachverbandsobmann Markus Payr, zur Motivation für das Projekt. „Damit haben wir die Chance, Klarheit zu schaffen und die Möglichkeiten und Grenzen einer regionalen Fischfutterproduktion für den Standort Österreich umfassend zu beleuchten. Auch Claudia Winkler, Projektleiterin bei Joanneum Research, zeigt sich erfreut über die Projektumsetzung: „Wir vom Institut LIFE der Joanneum Research forschen insbesondere zu praxisrelevanten Fragestellungen der Nachhaltigkeit. Wir freuen uns daher sehr über die Kooperation im Projekt AquaFeed, in dem Partnerinnen und Partner aus Praxis, Wissenschaft und Beratung eng zusammenarbeiten.“ Mit dem AquaFeed-Projekt wurde ein vielversprechender Schritt initiiert. Nun gilt es, die Ergebnisse abzuwarten und die nächsten Entwicklungsschritte auf Grundlage dieser Erkenntnisse zu gehen. „Aufgrund der engen Vernetzung mit den österreichischen Aquakulturbetrieben, der Futtermittelbranche und den landwirtschaftlichen Beratungsstellen, können die Ergebnisse in weiterer Folge auch entsprechend kommuniziert werden“, zeigen sich Leo Kirchmaier und Melanie Haslauer seitens der ÖVFA-Verbandsgeschäftsführung zuversichtlich und betonen die Relevanz für die Bereiche Bildung und Beratung der Landwirtschaftskammern.
AquaFeed im Einklang mit den Zielen auf nationaler-, EU- und globaler Ebene durch Verankerung in den Strategiepapieren
Im Fischfuttermittelsektor hat sich in den letzten Jahrzehnten durch die sukzessive Reduktion von den Bestandteilen Fischmehl und Fischöl sehr viel verbessert, dennoch besteht weiterer Bedarf zu handeln. Die FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) hat die nachhaltige Futtermittelproduktion als eine der größten Herausforderungen unserer Zeit identifiziert und betont mit Blick auf die globale Ernährungssicherheit gleichzeitig die Notwendigkeit des weltweiten Wachstums der Aquakultur unter dem Schlagwort „sustainable intensification“, also einer nachhaltigen Intensivierung der Produktion. Die Sicherstellung nachhaltiger Futtermittelsysteme wird auch von der Europäischen Kommission in den Strategischen Leitlinien für eine nachhaltigere und wettbewerbsfähigere Aquakultur in der EU für den Zeitraum 2021-2030 gefordert (EK 2021). Darüber hinaus gibt es EU-Strategien zur Förderung von Kreislaufwirtschaft, die darauf abzielen, regionale Kreisläufe zu schließen, Ressourcen effizient zu nutzen sowie Abfälle durch Wiederverwendung und Recycling zu minimieren (bspw. EK 2020a, EK 2020b). In Österreich ist das Thema bei den Maßnahmen zur Unterstützung von Forschung und Innovationen sowie der Erhebung von Daten für Untersuchungen ebenfalls im Nationalen Strategieplan Österreichs für die Aquakultur und Fischerei (NSP-AF) 2021-2027 verankert (BMLRT 2021). Im Konkreten fordern die Maßnahmen die Förderung der Forschung sowie die Einführung innovativer Methoden und Verfahren, um die Umweltauswirkungen zu minimieren und die Abhängigkeit von Fischmehl und Fischöl zu verringern, sowie die nachhaltige Nutzung von Ressourcen und die Weiterverwertung von Schlachtabfällen. Die Förderung der nachhaltigen Fischzucht ist zudem in der Biodiversitäts-Strategie Österreich 2030+ genannt (BMK 2022).
Autorinnen und Autoren:
DI Melanie Haslauer und DI DI Leo Kirchmaier, Österreichsicher Verband für Fischereiwirtschaft und Aquakultur (ÖVFA) und Landwirtschaftskammer Niederösterreich
Mag. Claudia Winkler, MA, JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH
Förderinformation
Dieses Projekt wird im Rahmen des Ressortforschungsprogramms über dafne.at mit Mitteln des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft finanziert. Das BML unterstützt angewandte, problemorientierte und praxisnahe Forschung im Kompetenzbereich des Ressorts.
Literatur:
BMLRT – Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, 2021: Nationaler Strategieplan Österreichs für die Aquakultur und Fischerei für den Zeitraum 2021 bis 2027 (NSP-AF 2021-2027), Wien. BMK – Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, 2022: Biodiversitäts-Strategie Österreichs 2030+, Wien. EK – Europäische Kommission, 2021: Strategische Leitlinien für eine nachhaltigere und wettbewerbsfähigere Aquakultur in der EU für den Zeitraum 2021-2030. Brüssel. EK – Europäische Kommission, 2020a: „Vom Hof auf den Tisch“ – eine Strategie für ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem. Brüssel. EK – Europäische Kommission, 2020b: Ein neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft. Für ein saubereres und wettbewerbsfähigeres Europa. Brüssel.