30 % regionale Biolebensmittel auch in Kärntens Großküchen
Wenn Sie auf 20 Jahre Biozentrum Kärnten zurückblicken, worin sehen Sie dessen wichtigste Errungenschaft? Wie hat sich der Biolandbau in Kärnten in den letzten Jahrzehnten verändert?
Johann Kreschischnig: Das Biozentrum ist eine Konstruktion, die entstand, um eine synergetische Zusammenarbeit der LK und Bio Austria Kärnten für den Biolandbau zu ermöglichen und gleichzeitig dem Kammergesetz zu entsprechen. Mit 1. Jänner 2003 wurde es gegründet. Vier Personen aus der Kammerführung und vier von Bio Austria bilden das oberste Gremium und beschließen das Jahresarbeitsprogramm. Sie entscheiden darüber, wie das Gesamtpotenzial, das sind die Mitgliedsbeiträge von Bio Austria und die drei Dienstposten des Landes, bestmöglich für die Biobauern eingesetzt werden. Als im Oktober 2008 einige Büros frei wurden, sind wir auch in die LK eingezogen. Dadurch hat sich die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Kammerabteilungen und dem Biozentrum wesentlich verbessert, was eine weitere Steigerung des Service für die Bauern mit sich brachte. Mit dem ÖPUL 1995 erhöhte sich die Zahl der Biobetriebe binnen zweier Jahre um über 1000. Der Biolandbau hat sich in Kärnten dann über Jahre hindurch ungefähr bei 1400 Betrieben gehalten, mit dem ÖPUL 2015 gab es eine Steigerung auf ca. 1800. Im heurigen Jahr fallen wir auf rund 1600. Befragungen ergeben durchwegs, dass die Bedingungen des neuen ÖPUL als Grund genannt werden. Wir haben in Kärnten nun 8 % weniger Biobauern, österreichweit beträgt der Rückgang nur 2,6 %. Der Ackerbau hält sich, der Rückgang der Fläche erfolgt überwiegend im Grünlandbereich. Die Früchte des Bioackerlandes werden aber auch gebraucht, im Grünland muss leider teilweise konventionell vermarktet und viel exportiert werden. Das liegt daran, dass Bio sich in Österreich seit einigen Jahren zu weit über 90 % selbst mit Futter – auch mit Eiweißfutter – versorgt. Im konventionellen Landbau kommt der überwiegende Anteil des Eiweißes noch aus Übersee. Man kann also sagen, nur Bio ist wirklich regional.
In welchem Ausmaß greifen Konsumenten unter dem Druck der Teuerung weniger zu Bioprodukten?
Der Verkauf von Bioprodukten hat über zwei Jahrzehnte jährlich durchwegs um 3 bis 5 % zugenommen. Während der Coronazeit boomte die Direktvermarktung, und auch in den Supermärkten wurden wesentlich mehr Biolebensmittel verkauft, weil es kaum Außerhausverzehr gab. Die Anstiege waren 2020 und 2021 mit 12 bis 15 % wirklich außerordentlich. 2022 hat sich trotz Wiedereröffnung der Gastronomie das hohe Niveau von 2021 gehalten. Gegenüber der gewohnten Entwicklung von 3 bis 5 % jährlichem Zuwachs auch ab 2019 wären also drei weitere Jahre der Stagnation erst der Gleichstand. Im 1. Quartal 2023 betrug der Bioanteil am Lebensmitteleinzelhandel wertmäßig 11,9 %, mengenmäßig jedoch 13,7 %, 2019 waren es noch 9,3 wertmäßig und 9,7 mengenmäßig gewesen. Bio ist also die Inflationsbremse, weil bei uns werden viel weniger energieintensive Betriebsmittel eingesetzt, und Energie ist der wirkliche Preistreiber. 2022 erhöhten sich die Preise für konventionelle Lebensmittel um 11,7 %, für Biolebensmittel um 7,5 %: Der Unterschied zwischen Bio und konventionell ist somit geringer geworden. Natürlich gibt es Leute, die bei Lebensmitteln sparen und zum Günstigeren greifen. Bio ist halt die höchste Qualität. Die Biolebensmittelkonsumenten in Österreich sind sehr treu, und wer den Unterschied einmal wahrgenommen hat, bleibt gerne dabei.
Welche Ziele setzt sich Bio Austria Kärnten, und welche großen Herausforderungen kommen auf die Biobauern zu?
Biobauern müssen seit dem neuen ÖPUL auch Biodiversitätsflächen anlegen. Das bedeutet für den Bioackerbau eine plötzliche Flächenreduktion von 7 %. Vor allem aber für jene, die Wiederkäuer halten und Kleegras nicht nur mulchen, sondern auch als Futtergrundlage sehen, ist das ein großes Problem. Manche müssen nun ihre Bestände reduzieren. Ich halte es angesichts der generellen Biodiversitätsleistungen des Biolandbaus in Verbindung mit der kleinstrukturierten Landwirtschaft in Kärnten für absolut unnotwendig, dass wir Biodiversitätsflächen anlegen. Bio Austria hat – leider einige Jahre zu spät – einen Biodiversitätsrechner entwickelt, mit dem wir diese generellen Biodiversitätsleistungen des Biolandbaus dokumentieren können. Wir hoffen, dass, wenn in einigen Jahren die Daten all unserer Mitglieder aufbereitet vorliegen, diese für Bio unsinnigen Vorgaben wieder wegverhandelt werden können. Ich bin zuversichtlich, dass wir in Österreich Biomarkt-Steigerungen zwischen 3 und 5 % vom Vor-Corona-Niveau ausgehend auch in den kommenden Krisenjahren halten werden können. Im Export wird es jedoch nicht ganz so einfach sein. Ein ganz wichtiger Punkt ist deshalb, dass die Großküchen des Landes, entsprechend der landwirtschaftlichen Struktur in Kärnten, wirklich regional einkaufen: Wir haben rund 25 % Biolandbau, im Grünland ist es sogar ein Drittel der Flächen. Daher wäre es nur recht und billig, den Beschluss des Kärntner Landtags von Juni 2014, einen Anteil von 30 % Biolebensmittel in allen Großküchen des Landes zu erreichen, endlich umsetzen. Diese 30 % sind bei einer geschickten Küchenplanung ohne Mehrpreis möglich, wenn man genau jene Produkte einsetzt, die im Bioanbau nicht wirklich teurer sind und in Kärnten in ausreichender Menge produziert werden. Das sind neben Rind- auch Kalb- und Lammfleisch, vor allem Milchprodukte und einfache Getreideerzeugnisse.
Zur Person
Johann Kreschischnig wuchs auf einem Betrieb auf, den er ab 1995 auf Bio umgestellt hat und den später seine Schwester übernahm. Seit 2008 bewirtschaftet er gemeinsam mit seiner Ehefrau nur noch rund 25 ha Bioackerbau im Nebenerwerb in der Gegend um Drobollach am Faaker See.