Zukunftsfitte Geschäftsmodelle, Kooperationen und Qualität
Als größte Herausforderungen für den eigenen Hof sehen Bäuerinnen und Bauern zunehmende gesetzliche Auflagen und ausufernde Bürokratie. Klimawandel, schwankende Preise, steigende gesellschaftliche Ansprüche, eine aktuell sinkende Zahlungsbereitschaft der Konsumenten und fehlende Planungssicherheit setzen ihnen ebenfalls zu. Der von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig initiierte Strategieprozess „Vision 2028+“, in dem mit 3000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern 170 Maßnahmen erarbeitet wurden, soll ihnen konkrete Perspektiven bieten. „91 % der Menschen achten auf preisgünstige Aktionen im Supermarkt. Gleichzeitig werden von der Landwirtschaft immer höhere Produktionsstandards, etwa in Richtung Tierwohl, gefordert“, sagt Totschnig. Es gelte, den Dialog zwischen Landwirtschaft, Handel, Konsumenten, Medien und den NGOs zu stärken und Landwirte dabei zu unterstützen, ein tragfähiges Geschäftsmodell weiterzuentwickeln. „Darüber hinaus muss die Digitalisierung nicht nur Betriebskosten, sondern auch Bürozeiten senken“, fügt der Minister hinzu. In der Ernährung müsse der Fokus auf natürlichen, nachhaltigen Qualitätslebensmitteln statt auf künstlichen Produkten aus der Fabrik liegen. „Die Zukunft wird anders sein als die Vergangenheit, doch in dieser Transformation liegt die große Chance für mehr Lebensqualität von Mensch, Tier und Natur“, ergänzt Marianne Penker vom Institut für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung an der BOKU. Die Vision 2028+ werde maßgeblich für die Verhandlungen zur neuen Gemeinsamen Agrarpolitik sein, betont Josef Plank, Leiter des Projektteams.
Bauern als Unternehmer
„Zukunftsweisend“ sei, dass „zentrale bäuerliche Herausforderungen wie Klimaverschlechterung, volatile Märkte, Bodenverbrauch und Arbeitsüberlastung genauso behandelt werden wie Chancen zur Entbürokratisierung und Effizienz durch Digitalisierung“, meint der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, Josef Moosbrugger. „Auch die gezielte Stärkung des unternehmerischen Denkens und der Wettbewerbsfähigkeit wird berücksichtigt.“ Eine besondere Bedeutung wird der Rolle von Frauen und Jugend beigemessen. Die wichtigsten Maßnahmen zur Zukunftssicherung sind für die im Strategieprozess Befragten „Ausbildung und laufende Weiterbildung“, „überbetriebliche Zusammenarbeit und Vernetzung“ sowie die „Produktion im Rahmen von Qualitätsprogrammen“.
Sieben Handlungsfelder umfasst die Vision 2028+. Zu den Zielen zählen u. a. der inflationsangepasste Ausbau des EU-Agrarbudgets, die Erleichterung von Betriebskooperationen durch Reduktion rechtlicher Hürden und steuerliche Begünstigungen, Bürokratieabbau durch Durchforstung der Förderlandschaft, die Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel in Synergie mit Qualitätsauslobungen auch in Gastronomie und Verarbeitung, das Ausloben der Haltungsform bei tierischen Produkten, das Fördern der Entwicklung bei Innovationen im Lebensmittelbereich, die jährlichen Vergabe eines „Future Food Awards“, der Einsatz von zumindest 55 % Bio-(bevorzugt aus österreichischen Quellen) und 60 % österreichischen Gütesiegelprodukten in der öffentlichen Beschaffung, die monetäre Bewertung und Honorierung von Ökosystemleistungen, die Sicherung der Diversität nachhaltiger Betriebe durch abgestimmte Förder- und Qualitätsprogramme, die Integration der Themen Land- und Forstwirtschaft, Umwelt, Wasser und Klima in die Lehrpläne und in außerschulische Bildung, ein eigener rechtlicher Tatbestand „Urlaub am Bauernhof“ als eigenständige Tourismusform (als Ausnahme der Gewerbeordnung) nach dem Modell in Italien sowie ein Freiwilliges Sozialjahr am Bauernhof. Weitere Vorhaben: Auf Basis der Forschung und der Reduktionsziele eines künftigen Klimaschutzgesetzes werden unter Einbindung der Praxis CO2-Reduktionspfade für land- und forstwirtschaftliche Produktionszweige festgelegt. Erwerbskombinationen und alternative Geschäftsmodelle sind keine Nischen mehr, sie haben in der Landwirtschaft einen hohen Stellenwert. In der Qualitätsproduktion findet eine Beschäftigung mit neuen Trends u a. bei Ernährung, Pharma, Kosmetik und bei erneuerbaren Rohstoffen statt. Die gleichberechtigte Mitbestimmung von Frauen und jungen Menschen in Gremien ist auf allen Ebenen sichergestellt.
Drei Viertel der Jungbäuerinnen und Jungbauern blicken sehr positiv bis neutral in die Zukunft. Chancen für den Betrieb sehen Landwirte im Trend zu Qualität und Regionalität und im steigenden Interesse der Bevölkerung an ihrer Arbeit.
Download der 140-seitigen Vision 20w28+ unter www.landwirtschaft.at/vision2028/
Download der 140-seitigen Vision 20w28+ unter www.landwirtschaft.at/vision2028/