Boku: Experten diskutierten Folgen von Farm to Fork für heimische Landwirtschaft
Im Mittelpunkt der diesjährigen Herbsttagung des Zentrums für Agrarwissenschaften (CAS) der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) stand die wissenschaftliche Analyse der vier quantitativen Ziele der Farm to Fork-Strategie der Europäischen Kommission und die Diskussion über deren Potenziale, aber auch über die Grenzen ihrer Umsetzung für die österreichische Landwirtschaft. Die vier quantitativen Ziele sind: die Reduktion des Gesamtverbrauchs, des Risikos und des Einsatzes von gefährlichen Pestiziden um 50%, die Verringerung der Nährstoffverluste um mindestens 50% sowie die Reduktion des Düngereinsatzes um 20%, die Verminderung des Verkaufs von antimikrobiellen Mitteln für die Tierhaltung und in der Aquakultur um 50% sowie die Erreichung eines Anteils von mindestens 25% der landwirtschaftlichen Fläche der EU, die biologisch bewirtschaftet wird.
"Es steht außer Frage, dass die Umsetzung der Farm to Fork-Strategie auch die österreichische Landwirtschaft vor große Herausforderungen stellt", betonte Jochen Kantelhardt, Leiter des BOKU CAS. "Dabei sollten nicht nur die kurzfristige Umsetzbarkeit und die kurzfristigen Konsequenzen der Strategie bewertet, sondern auch die langfristigen Entwicklungspotentiale einer solchen Politik betrachten werden."
"Es steht außer Frage, dass die Umsetzung der Farm to Fork-Strategie auch die österreichische Landwirtschaft vor große Herausforderungen stellt", betonte Jochen Kantelhardt, Leiter des BOKU CAS. "Dabei sollten nicht nur die kurzfristige Umsetzbarkeit und die kurzfristigen Konsequenzen der Strategie bewertet, sondern auch die langfristigen Entwicklungspotentiale einer solchen Politik betrachten werden."
Der für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zuständige Generaldirektor der Europäischen Kommission, Wolfgang Burtscher, unterstrich die veränderte Ausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP): "Die GAP ist ein wichtiges Instrument, um die Nachhaltigkeit unserer Lebensmittelsysteme zu erreichen." Mit der Farm to Fork-Strategie müsse die Lebensmittelproduktion und das landwirtschaftliche Einkommen mit echten Verbesserungen für die Umwelt und die öffentliche Gesundheit einhergehen. "Aus diesem Grund wird die Europäische Kommission den Ambitionen der neuen strategischen Pläne der Mitgliedstaaten für die GAP große Aufmerksamkeit schenken", so Burtscher.
Notwendigkeit, Möglichkeit und Realität bei der Minimierung von Pestiziden
"Pflanzenkrankheiten, Schädlinge und Beikräuter sind keine Folge der heutigen Landwirtschaft, sondern begleiten den Menschen, seit es Ackerbau gibt", betonte Siegrid Steinkellner vom Institut für Pflanzenschutz an der Boku. "Pflanzenschutzmaßnahmen tragen entscheidend zur Sicherung der Erträge und der Qualität von Lebens- und Futtermitteln sowie nachwachsenden Rohstoffen für die industrielle Verwertung bei. Die bis 2030 gesetzten Ziele zur Pestizidreduktion folgen einem gesellschaftlichen Meinungstrend, überschätzen jedoch die Möglichkeiten und negieren viele reale Pflanzenschutzprobleme."
Reduktion von Nährstoffverlusten und Düngemittelaufwand
Jakob Santner vom Institut für Pflanzenbau an der Boku beleuchtete die Herausforderungen, die die Farm to Fork-Strategie an die österreichische Landwirtschaft in Bezug auf die Reduktion von Nährstoffverlusten und Düngemitteleinsatz stellt. "Da die Nährstoffeffizienz von Stickstoff und Phosphor in Österreich aktuell schon sehr hoch ist, sind weitere Effizienzsteigerungen nicht einfach zu erreichen." Um weiterhin hohe Flächenerträge bei geringerem Düngemittelaufwand zu realisieren, seien die Weiterentwicklung der eingesetzten Düngemittel (z.B. slow-release Produkte, Düngemittelplatzierung) und auch die Entwicklung von Kultursorten mit höherer Nährstoffaufnahme- und Nährstoffausnutzungseffizienz vielversprechend. "Auch die Nährstoffrückgewinnung aus Reststoffen und der Einsatz in Regionen mit hohem mineralischen Düngemittelbedarf könnten, wenn wirtschaftliche Rückgewinnungstechnologien verfügbar werden, einen Beitrag zur Effizienzsteigerung leisten."
ktion von antimikrobiellen Mitteln in der Veterinärmedizin
Mit der neuen EU-Tierarzneimittel-Verordnung wurden Rahmenbedingungen geschaffen, die unter anderem auf eine verbesserte Erhebung von Verkaufs- und Anwendungsdaten für Antibiotika abzielen und den vorsichtigen Einsatz fördern. Auch Österreich ist gefordert, die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen zu reduzieren. "Bei der Reduktion des Antibiotikaeinsatzes ist eine reine Mengenbetrachtung nicht zielführend, vielmehr muss die Anzahl der behandelten Tiere reduziert werden", so Annemarie Käsbohrer von der Abteilung für Öffentliches Veterinärwesen und Epidemiologie an der Vetmeduni. Auch ein alleiniges Ausweichen auf kritische Wirkstoffgruppen mit geringerer Dosierung wäre ein fataler Schritt. "Antibiotika dürfen nicht dazu missbraucht werden, unzureichende Haltungsbedingungen, Managementfehler oder mangelhafte Hygienestandards zu kompensieren."
Wachstum des Biolandbaus mit Augenmaß
"Das Ziel der EU-Kommission, den Bio-Sektor bis 2030 auf 25% ausbauen zu wollen, enthält eine Reihe von Herausforderungen", betonte Sebastian Lakner von der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock. Bisher hätten Marktprozesse auf dem deutschen Biomarkt funktioniert, weil die biologische Landwirtschaft immer mit Blick auf den Markt gewachsen ist. Das Resultat waren stabile Preise. "Wenn die Förderungen zu stark angehoben werden, könnten Erzeugerpreise sinken sowie Betriebe ihre Kosten nicht decken, die über eine Rückumstellung nachdenken müssten." Insofern sei agrarpolitisches Augenmaß gefragt. "Mittelfristig sollten wir eine Diskussion darüber führen, wie der Biolandbau das eigene Profil im Hinblick auf Umweltleistungen, Produktivität, Innovation und multifunktionale Leistungen schärfen - und wie auch die konventionelle Landwirtschaft ihre Bilanz im Hinblick auf Umweltleistungen, Tierwohl und Qualität verbessern kann", so der Agrarökonom.