Rationalisierung in Agrarunternehmen
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf den Agrarmärkten haben sich in den letzten Jahrzehnten ständig verschärft - ein Wandel am Absatz- und Arbeitsmarkt ist festzustellen. Hieraus ergibt sich für die Agrarunternehmen die Forderung nach Rationalisierung der betrieblichen Abläufe, um sie zu verbilligen und dadurch stärker im Wettbewerb zu sein.
Durch den planmäßigen Einsatz von Arbeit und Betriebsmitteln in den Agrarbetrieben entstehen die Produkte, die den Bedarf der Konsumenten decken. Für die produzierenden Unternehmen hat sich dabei ein Wandel vom Anbieter- zum Käufermarkt vollzogen. Aber auch die Rekrutierung von Arbeitskräften hat sich gewandelt: Die Betriebsführung sucht geeignete Mitarbeiter aus, umgekehrt die Bewerber ein attraktives Unternehmen. Diese Wandel konfrontieren die Unternehmen mit großen Herausforderungen (Konkurrenzfähigkeit, internationale Märkte). Um künftig die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, dient hier als Hilfsmittel die Rationalisierung mit dem obersten Ziel, die Kosten zu senken.
Wege zur Rationalisierung
In einem Agrarunternehmen treten die Veränderungen des Umfeldes in vielfältiger Weise auf, beispielsweise sei hier auf die digitale Entwicklung (Automatisierung) hingewiesen. Entsprechend liegt der Schwerpunkt der Rationalisierung in der Praxis auf dem Bereich Produktion.
- Kombination und Substitution der Produktionsfaktoren:
Zur Leistungserstellung werden immer mehr sich zweckmäßig ergänzende Produktionsfaktoren kombiniert und dabei die teuren Faktoren durch kostengünstigere substituiert.
Beispiel:
Ersatz von Arbeitskräften (AK) durch Maschinen (MA) in den vergangenen Jahrzehnten.
1 AK kostet 5 €/h | 1 MA kostet 20 €/h | Ergebnis | |||
Fall I | 12 AK x 5 € | + | 2 MA x 20 € | = | 100 € |
Fall II | 6 AK x 5 € | + | 4 MA x 20 € | = | 110 € |
Fall III | 4 AK x 5 € | + | 6 MA x 20 € | = | 140 € |
Fall IV | 2 AK x 5 € | + | 12 MA x 20 € | = | 250 € |
Die kostengünstigere Faktorkombination ist der Fall I.
1 AK kostet 30 €/h | 1 MA kostet 20 €/h | Ergebnis | |||
Fall I | 12 AK x 30 € | + | 2 MA x 20 € | = | 400 € |
Fall II | 6 AK x 30 € | + | 4 MA x 20 € | = | 260 € |
Fall III | 4 AK x 30 € | + | 6 MA x 20 € | = | 240 € |
Fall IV | 2 AK x 30 € | + | 12 MA x 20 € | = | 300 € |
Bei gestiegenen Arbeitskosten auf 30 Euro, aber gleichbleibenden Kapitalkosten, zeigt der Fall III die Faktoren im Kostenminimum.
- Rationalisierungsinvestition:
Durch eine Vermögensumschichtung kommt es zu einer Steigerung des Leistungspotenzials aufgrund Kostendegression und Qualitätsverbesserung. Agrarunternehmerische Absicht ist es, eine höhere Produktivität (mehr Output, weniger Input) zu erzielen.
Beispiel: Arbeits- versus Maschinenverfahren
Markterkundungen ergaben, dass sich der Absatz eines Agrarproduktes auf 10.000 Mengeneinheiten (ME) zu 9 Euro/ME steigern lässt. Deshalb wird die Investition in eine maschinenintensivere Produktion erwogen, wodurch die fixen Kosten von 20.000 Euro auf 25.000 Euro steigen und die variablen Kosten je ME von 3 Euro auf 2 Euro sinken würden.
Arbeitsintensives Verfahren:
Leistung = 10.000 ME x 9 Euro/ME = 90.000 Euro
Kosten = 20.000 Euro + 10.000 ME x 3 Euro = 50.000 Euro
Wirtschaftlichkeit = 90.000 Euro/50.000 Euro = 1,8
Maschinenintensives Verfahren:
Leistung = 10.000 ME x 9 Euro/ME = 90.000 Euro
Kosten = 25.000 Euro + 10.000 ME x 2 Euro = 45.000 Euro
Wirtschaftlichkeit = 90.000 Euro/45.000 Euro = 2,0
Die Rationalisierungsmaßnahme wäre zielführend, ist aber von der Menge abhängig und beträgt zum Beispiel bei 8.000 ME nur noch 1,6.
- Ersatzinvestition:
Das Motiv besteht in der Kapazitätserhaltung, indem abgenutzte Produktionsmittel ersetzt werden. Zu bewerten sind die jeweils entstehenden Kosten mit/ohne Finanzmitteleinsatz.
Beispiel:
5-Jahre-Weiternutzung oder Ersatz einer Maschine (12.500 Euro Anschaffungskosten, 10 Jahre Nutzung (300 h jährlich), 5.000 Euro Restwert, 4% Zinssatz, 2,1 Euro variable Kosten, 1,2 bzw. 0,65 Reparatur-Korrekturfaktoren).
Maschinenweiternutzung:
3,66 Euro/h fixe Kosten + 2,52 Euro/h variable Kosten = 6,18 Euro/h
Maschinenersatz:
6,16 Euro/h fixe Kosten + 1,37 Euro/h variable Kosten = 7,53 Euro/h
Trotz zu erwartender höherer Reparaturkosten entstehen bei fünf Jahre weiterer Nutzung niedrigere Kosten pro Stunde.
- Automatisierte Bodenprobenahme:
Als ökonomische Ziele der Düngung gelten eine höhere Ertragsmenge sowie Arbeitsproduktivität. Die Technologie zur kostenoptimalen Bodenprobenahme ist ein GPS (DGPS)-gestützter Prozessschritt, ausgewertet mit einer Software wie AGRAR-OFFICE.
Beispiel:
Bodenentnahme mittels AK oder Pick-up (Schlaghammer). Der manuelle Prozess benötigt 7 AKh/ha, der automatisierte ¾ AKh/ha.
- Mechanisierung der Ernte:
Beim teilweisen oder vollständigen Ersatz der mit Hand ausgeführten Ernte durch Maschinen und Vorrichtungen bleibt die menschliche Arbeitskraft an den Produktionsprozess gebunden, übernimmt jedoch nur noch Kontrollfunktionen.
Beispiel:
Faktor Mensch (10.000 kg ME/ha, 1 AK = 8 h und 500 kg ME/Tag) und Maschine bei der Ernte.
Manuelle Ernte: 10.000 kg ME/ha : 500 kg ME/AK = 20 AK/ha; 20 AK/ha x 8 h = 160 AKh/ha
Maschinelle Ernte: < 4 AKh/ha
Hieraus ergibt sich eine wesentlich höhere Arbeitsproduktivität und somit Kostenreduktion beim Einsatz der Erntemaschine.
- Optimale Bestellmenge:
Eine zu frühe Materiallieferung für die Leistungserstellung verursacht unnötige Lagerhaltungskosten, eine verspätete stört den Produktionsfluss bzw. stellt die Lieferbereitschaft infrage. Zur optimalen Bestellmengenberechnung dient die Andler-Formel √(200 x Jahresbedarf x bestellfixe Kosten)/(Preis je Stück x Lagerhaltungskostensatz).
Beispiel:
Bestellmenge eines Verbrauchsguts mit der Prämisse 10.000 Stück, 20 Euro Bestellkosten, 2 Euro Stückpreis und 10% Kostensatz. Das Minimum der Summe aus Bestell- und Lagerkosten liegt bei √(200 x 10.000 x 20 Euro)/(2 Euro x 10%) = 1.415 Stück.
- Supply Chain Management (SCM):
Der Einsatz moderner IT-Systeme ermöglicht das Lieferkettenmanagement, also den Aufbau und die Verwaltung integrierter Logistikketten über den gesamten Wertschöpfungsbereich.
Beispiel: Vendor Managed Inventory (VMI)
Mit der Einführung des lieferantengesteuerten Bestandes lassen sich Lagerbestände reduzieren und Warenverfügbarkeit erhöhen. Die Fehlmengen von Agrarprodukten im Handel reduzieren sich um mehr als 5%, da bei einer Unterdeckung in den Supermärkten sofort Aktivitäten innerhalb der Agrarunternehmen ausgelöst werden.
Probleme der Rationalisierung
Die Rationalisierung bringt eine Veränderung des Arbeitsplatzes mit sich. Kommunikation und Information treten als Produktionsfaktoren neben die klassischen Faktoren Arbeit, Boden und Kapital. Diese Änderungen werden im Unternehmen nicht immer positiv begrüßt: Widerstand kann auftreten. Die Arbeitskräfte können sich durch Weiterbildung den neuen Anforderungen stellen, für Unqualifizierte häufig jedoch ein schwieriges Unterfangen (Fachkräftemangel). Mit der Rationalisierung einhergehend ist auch die Ausschaltung nicht mehr konkurrenzfähiger (Klein-)Betriebe. Die Folge davon sind Unternehmenskonzentration oder Strukturänderungen wie Outsourcing in Billiglohnländer.
Resümee
Rationalisierung in Agrarunternehmen kennzeichnet Maßnahmen für eine optimale Zielerreichung (Wert-, Sach- und/oder Sozialziele) unter neuen Wirtschaftsbedingungen. In der Betriebspraxis äußert sich das vor allem in der Verbesserung der Produktionsverfahren, um die Kosten zu senken. Dadurch wird sowohl die Produktivität als auch die Wirtschaftlichkeit erhöht. Der Einsatzbereich bezieht sich auf die Be- und Verarbeitung, die Förder- und Lagervorgänge sowie die Produktionsplanung und -steuerung. Rationalisierungsbestrebungen gehen heute dahin, unterschiedliche Arbeitsfolgen durch flexible Arbeitssysteme vollziehen zu lassen.